Dem „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)“ folgt nun die neue Gesetzesnovelle der mittlerweile vom Wähler abgestraften früheren Bundesregierung.
Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, haben die anderen Staaten der Europäischen Union für das Verfahren der Restschuldbefreiung wesentlich kürzere Phasen der Restschuldbefreiung gesetzlich niedergelegt. Dies geht bis zum beliebten Privileg aus dem Elsass aus Kaisers Zeiten, das die Restschuldbefreiung – auf gut deutsch: die Zeit bis Sie der Schulden entledigt sind – au zwölf Monate reduziert. Gekoppelt sind alle europäischen Regelungen daran, dass der Wohnsitz des Insolvenzschuldners im EU-Staat mit den günstigeren Regelungen belegen ist – was bei Briefkastenadressen für ‘gutes Geld‘ bei professionellen Anbietern Probleme bereiten kann.
Als Reaktion hierauf ist nun das o.a. Gesetzesvorhaben zu Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens anzusehen – ähnlich wie die Regelung zur deutschen „UG (haftungsbeschränkt)“-Regelung auf den seinerzeitigen Limited-Boom.
(Quelle: Stefan Molter; pixelia.de)
Was sind die konkreten Folgen der o.a. Gesetzesnovelle und wie sind sie zu beurteilen:
1.) Die Verkürzung zu den Fristen, welche mit unseren europäischen Nachbarn vergleichbar sind, auf drei Jahre Wohlverhaltensphase – gegenüber der bisher gültigen sechs Jahre – bis zur Restschuldbefreiung an die die Tatsache geknüpft, dass es dem Schuldner gelingt eine Mindestbefriedigungsquote von 35 % aller Gläubiger zu erreichen und die Verfahrenskosten zu decken. Dieser Anforderung ist in der Praxis in den Bereich politischer Phantastereien zu verorten. Ist ein Gläubiger voraussichtlich in der Lage, 35 % aller Gläubiger innerhalb von drei Jahren vollständig zu befriedigen, so wird er bei realistischer Herangehensweise stets in der Lage sein, einen Vergleich mit allen Gläubigern in die Wege zu leiten. Ist dies so, so macht der Weg in das Insolvenzverfahren keinerlei Sinn.
2.) Die Verkürzung auf drei Jahre unter der Voraussetzung der Mindestbefriedigungsquote von 35 % wird in der Praxis nur dann Anwendung finden, wenn dem Insolvenzschuldner drei Jahren nach Stellung des Insolvenzantrags bzw. der Eröffnung des Verfahrens eine entsprechende Erbschaft anfällt oder er anderweitig in der Lage ist, sich durch private Kredite entsprechende Mittel zu beschaffen.
3.) Eine Verkürzung auf fünf Jahre Restschuldbefreiung bei Begleichung der Verfahrensschulden gleicht einem Offenbarungseid des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Fakt ist, dass bei Beantragung insbesondere des Verbraucherinsolvenzverfahrens eine Stundung der Verfahrenskosten beantragt wird und bei verschuldeten Haushalten die Aufforderung, die Verfahrenskosten nach Beendigung des Verbraucherinsolvenzverfahrens zu begleichen, meisten die Leere laufen, da auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens der Antrag gestellt werden kann, die Verfahrenskosten für das Insolvenzverfahren weiterhin zu stunden und in der Praxis der Gemeinden nach weiteren vier Jahren diese Verfahrenskosten Stundungen nicht weiterverfolgt werden – auf gut Deutsch: Mittellose Haushalte müssen auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nach bisherigem Recht die Verfahrenskosten nicht tragen. Ohne dass weitere praktische Verhalten der Insolvenzschuldner vorwegnehmen zu wollen, sagt jedem realistischen Betrachter der gesunde Menschenverstand, dass ein Insolvenzschuldner mit Pfändungsfreiheit nach dem Insolvenzantrag in der Regel die Verfahrenskosten sich nicht für ein Jahr vorheriger Restschuldbefreiung die Verfahrenskosten „vom Munde absparen“ wird, um ein Jahr vorher nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder in den Zugriff neuer Gläubiger gelangen zu können.
Fazit: Die o.a. gesetzliche Neuregelung mag lautere Absichten haben, läuft aber in der Realität völlig ins Leere. Wer innerhalb von drei Jahren 35 % der Gläubiger befriedigen kann, wird in aller Regel vorinsolvenzlich einen Vergleich anstreben. Wer die Verfahrenskosten tragen kann, wird zudem in meist wegen der Jahresverkürzung der Wohlverhaltensphase um ein Jahr kaum die Verfahrenskosten tragen, wenn er weiterhin aufgrund von Unterhaltspflichten nur pfändungsfreie Einkünfte erzielt, was die Regel ist. Nur in wenigen Fällen des Erbanfalls geholfen Schenkungen bzw. des erzielen deutlich höhere Einkünfte als bisher oberhalb der Pfändungsfreigrenze wird die Gesetzesnovelle greifen.